Ein Textil, das vor Überschwemmungen schützt

Auf der Turnhalle der Grundschule Schauenstein ist im Sommer 2023 das innovativste Schwammdach Deutschlands installiert worden. Das Herzstück der Technologie ist eine Drainage, die der Oberfranke Mario Browa entwickelt hat.

20.11.2023

Schwammdach der Grundschule Schauenstein Foto: Browatech/Landkreis Hof

Die Grundschule Schauenstein im Landkreis Hof sorgte im August 2023 deutschlandweit für Aufsehen: Zahlreiche nationale Nachrichtenportale und Fernsehsender berichteten über das „Purple-Roof“ (auch als „Detention-Roof“ bekannt), das erste seiner Art in Deutschland. Es schützt die Kanalisation vor Starkregen und kann Wasser für längere Trockenphasen speichern. Mario Browa aus Langenbach entwickelte die Kerntechnologie, die im „Purple-Roof“ verbaut ist.

 

Ein Wirtshausbesuch mit Folgen

Dass die Turnhalle im Landkreis Hof für die innovative Technologie ausgewählt wurde, ist einer zufälligen Begegnung zu verdanken. Mario Browa erinnert sich an das Treffen: In der Adelskammer, dem ältesten Wirtshaus im Frankenwald, setzte er sich zu Rainer Lang an den Tisch. Was als lockerer Small Talk begann, entwickelte sich rasch zu einer wegweisenden Unterhaltung. Mario Browa erzählte von seinem besonderen Textil, mit dem er sich selbstständig gemacht hat und Rainer Lang berichtete von der Sanierung der Grundschule Schauenstein, für die er als zuständiger Projektleiter verantwortlich ist. „Er war begeistert von der „Purple-Roof“-Technologie. Er ist ein Visionär, dem sofort klar war, dass mit der Schulhaussanierung auch die Kinder für die Themen Wasser und Umwelt einbezogen werden müssen. Er denkt vorausschauend und ganzheitlich“, beschreibt Mario Browa den Projektleiter.

 

Unterstützung durch lokale Akteure

Rainer Lang stellte die Kontakte her. Auch Bürgermeister Florian Schaller war schnell überzeugt: „Bei Starkregen kommt die Kanalisation an ihre Grenzen, wie vor zwei Jahren in Selbitz deutlich wurde. Die Installation des Daches ist ein kleiner Beitrag, um die Belastung unseres Kanalnetzes sowie der umliegenden Gemeinden zu reduzieren. Besonders erfreulich an diesem Projekt ist die Beteiligung der Grundschulkinder. Dadurch können wir bereits in jungen Jahren ein Bewusstsein für nachhaltige Themen schaffen“, sagt der Schauensteiner Bürgermeister über das innovative Schwammstadt-Projekt.

 

Beteiligt daran sind auch die Hochschule Hof und das Kompetenznetzwerk Wasser und Energie. Sie suchen nach Antworten auf die Fragen, wie Oberfranken mit extremen Wetterereignissen umgehen sollte und welche Rolle digitale Lösungen spielen. Das Regenwassermanagement wird auch im Schulunterricht in Schauenstein als Thema behandelt. Dass der „Purple-Roof“-Aufbau in seiner Heimat Anwendung findet, freut Erfinder Mario Browa besonders. Er hofft, dass es den Anstoß gibt, um weitere Flachdächer in Deutschland mit dem Produkt auszustatten.

 

Ein Neuanfang als Pionier

Mario Browa, gelernter Industriemechaniker, wechselte erst 2016 in die Selbstständigkeit. Er arbeitete 27 Jahre im textilen Sondermaschinenbau, darunter zuletzt als Bereichsleiter. Im Juni 2015 stand für ihn ein Neuanfang an, als das Unternehmen an einen Investor verkauft wurde. Doch anstatt sich nach ähnlichen Positionen umzusehen, entschied sich der Langenbacher für einen völlig neuen Weg und schrieb ein Patent. „Ich habe sehr viel Praxiserfahrung sammeln können. Überall auf der Welt habe ich gesehen, wie Dinge gelöst wurden. Dieses Wissen hatte ich einfach. Meine Stärke war schon immer, dass mir Ideen leicht einfallen. Wenn mich etwas interessiert, brauche ich nicht lange, um eine Lösung zu finden.“ Ein Geranienzüchter schilderte ein Problem mit Staunässe und Mario Browa griff auf sein breites Wissen über technische Textilien zurück. Er testete aus, überlegte neu, reiste und führte viele Gespräche. Acht Monate nach seinem Ausscheiden aus der Firma meldete er ein innovatives Drainagetextil zum Patent an. Außerdem gründete er sein Unternehmen Browatech. Das Textil erfüllte zwar seinen Zweck, doch der Bedarf war geringer, als sich Mario Browa erhofft hatte. Er suchte nach neuen Einsatzmöglichkeiten im nachhaltigen Bauen.

 

Eine Idee mit Punktlandung

An einem Freitag im Oktober 2016 bekam er einen wichtigen Anruf aus den USA: Am Dienstag saß der Oberfranke bereits im Flieger, um sich in Virginia im Forschungslabor umzuschauen. Ein Unternehmen aus den USA war seit Jahren auf der Suche nach einer Möglichkeit, um Niederschläge zurückzuhalten und berechnet kontrolliert abfließen zu lassen. Keine Drainage bot bis dato die Lösung für das Problem an. Bei seinem Besuch in den USA ließ sich Mario Browa genau erklären, wie das „Purple-Roof“ funktionieren soll. Zurück in Oberfranken fertigte er dann abgeleitet von seinem Patent ein einziges Textil an, das entscheidende Puzzleteil für das „Purple-Roof“. Eine Punktlandung! Es besteht aus einer dünnen, dreischichtigen Struktur: Grund- und Deckschicht sind durch Fäden verbunden. Diese ermöglichen eine kontrollierte Wasserabfuhr nach unten und oben. Das Textil kann eine große Menge Wasser auffangen und zeitverzögert abgeben. Dieser Prozess umfasst mehrere Stunden. Über dem Textil liegt eine Schicht aus Mineralwolle, auf der die Vegetation verlegt wurde.

 

Herausforderungen vor der Markteinführung

Das Unternehmen in den USA setzte die Drainage als Kerntechnologie für das „Purple-Roof“ ein. Über 3.000 wissenschaftliche Tests wurden durchgeführt. Doch die Entwicklung geriet ins Stocken. Es folgten langwierige Vertragsverhandlungen und Corona. Mario Browa glaubte fest an den Erfolg seines Produkts. Umkehren war für ihn keine Option, auch wenn ihn Zukunftsängste begleiteten. „Es war wichtig, nicht einen Meter vorm Ziel aufzugeben“, beschreibt Mario Browa seine Motivation zu dieser Zeit. Seine Ausdauer wurde belohnt: Sein Textil erfüllte alle Anforderungen und nach der Genehmigung des „Purple-Roof“ in New York folgte schnell die Markteinführung. Nun steht es auch für den europäischen Markt bereit, hier ist der Name „Detention-Roof“ in Gebrauch. Das Unternehmen Browatech arbeitet weltweit exklusiv mit den größten Grünbedachungsunternehmen zusammen und fungiert als Entwickler und Zulieferer der innovativen Drainage.

 

Simple Ideen mit hohem Praxisbezug

Mario Browa war bei jedem Prozess der Fertigung dabei, um das Textil weiter zu optimieren. Zuhören, beobachten und schon brachte ihn das auf neue Ideen, um Prozesse praktischer oder günstiger werden zu lassen. „Ich testete mich so lange heran, bis es genau gepasst hat und der Kunde auch zufrieden war. Maschinen mussten umgebaut werden, damit sie die Textilien erstellen konnten. Oft stand ich deshalb daneben und ließ mir alles erklären. Ich muss das miterleben, damit ich weiß, wie das funktioniert.“ Seine Ideen beschreibt er selbst als einfach und praktisch. Das brachte ihm auch als Angestellter früher bereits einen gewissen Ruf ein, wie er sich erinnert: „Das ist mal wieder Browatech“ hieß es damals, wenn er seine Ideen schilderte und damit die aufwendigen Ausarbeitungen der Ingenieure hinter sich ließ. Der Ausspruch seiner Kollegen führte zu dem Namen seines jungen Unternehmens.

 

Innovationen für eine nachhaltigere Zukunft

Und der Strom an Ideen reißt nicht ab. Mario Browa arbeitet bereits an weiteren Patenten. Er ist sich sicher, dass sich vieles nachhaltiger gestalten lässt, ohne dass dabei Mehrkosten entstehen. „Es würde Ressourcen und die Natur schonen, man würde Gifte vermeiden.“ Sein eigener persönlicher Antrieb, nachhaltig zu leben, spiegelt sich in seinen Produkten wider. Dass seine Textildrainage, die sich komplett recyceln lässt, einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, ist für ihn Ansporn, noch mehr seiner „einfachen Ideen“ in die Praxis umzusetzen. An der nächsten Innovation in Sachen Nachhaltigkeit made in Oberfranken tüftelt er bereits.

 

Dieser Artikel wurde in der Ausgabe 2023 des Mitgliedermagazins "O" von Oberfranken Offensiv e.V. auf Seite 16 und 17 veröffentlicht. Der gesamte Inhalt wurde nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig recherchiert, Irrtum und Satzfehler vorbehalten. Nachdruck oder Reproduktion in irgendeiner Form, auch auszugsweise, sind nur mit schriftlicher Genehmigung gestattet.